Unsere Geschichte
Auszüge aus der „Chronik der Evang. Pfarrgemeinde Vöcklabruck” von Pfr. Karl Eichmeyer sen.:
Gründung und Aufbau der Gemeinde
1864 wurden die ersten Schritte zur Bildung einer selbständigen Gemeinde unternommen. In der Gemeindevertretersitzung, die am 13. November 1864 im Schulhaus in Rutzenmoos stattfand, stellten sechs Männer des Gebietes Vöcklabruck den Antrag auf Bildung einer Filialgemeinde. Die Gründung der Filialgemeinde Vöcklabruck wurde mit 34 gegen 18 Stimmen genehmigt. Als aber die Vöcklabrucker den weiteren Antrag stellten, der Pfarrer von Rutzenmoos möge in Vöcklabruck Gottesdienst halten, erhob sich derselbe Kampf wie 50 Jahre vorher. Erst vier Jahre später, am 15. November 1868, gelang die Beschlussfassung zur Gründung der Filialgemeinde Vöcklabruck. Mit 21.August 1869 erfolgte die kirchenregimentliche Anerkennung der Filialgemeinde.
Am 20.Juni 1869, dem vierten Sonntag nach Trinitatis, wurde der Betsaal eröffnet und der erste Gottesdienst abgehalten. Pfarrer Kotschy von Attersee grüßte die Gemeinde mit einer Auslegung von Ps. 27,4. Vikar Joh. Friedrich Koch von Rutzenmoos hielt die Festpredigt über das Sonntagsevangelium Luk. 6,36 - 42. Die Spitzen der Behörden waren eingeladen worden und erschienen. Da die Gemeinde einen eigenen Pfarrer haben wollte, um jeden Sonntag Gottesdienst abhalten zu können, entschloss man sich schon ein Jahr darauf, eine selbständige Pfarrgemeinde zu gründen. Am 24.April gab die Muttergemeinde Rutzenmoos ihre Zustimmung. Am 23. Juni 1870 erteilt der k.k. evangelische Oberkirchenrat unter ZI. 1001 die Bewilligung zur Bildung einer selbständigen Pfarrgemeinde. Die Grenzziehung zwischen Tochter- und Muttergemeinde gestaltete sich schwierig und forderte einen neunjährigen Grenzstreit heraus, der erst im November 1877 beendet werden konnte. Leichter gestaltet sich die Grenzziehung zur Gemeinde Attersee. Problemlos bleibt auch die Grenzziehung zur Pfarrgemeinde Wallern. Das Gebiet der neuen Pfarrgemeinde umfasste eine Fläche von 380 km2. Neben 32.000 Katholiken wohnten 374 Evangelische. Bevor man an den Bau einer Kirche dachte, wurde ein Friedhof angelegt, da die Leichenbegängnisse bei der weiten Entfernung von Rutzenmoos besonders mühsam waren. Der Fabrik- und Mühlenbesitzer Wilhelm Stuki, ein Schweizer, schenkte der Gemeinde ein Grundstück. Sein Grab befindet sich jetzt auf unserem Friedhof.
Kirchenbau und Kirchenweihe
Die Vorbereitungen begannen schon im Sommer 1871. Michael Neudorfer, Gattinger zu Pilsbach, stellte Lehmgrund zur Verfügung, aus dem 60.000 Stück Ziegel gewonnen wurden. Dazu kamen die Spenden des Gustav-Adolf-Vereins, Haussammlungen in Oberösterreich und Cisleithanien und Spenden von Vöcklabrucker Bürgern. Trotzdem kam die Gemeinde in arge Not. Die Kosten des Baues waren auf 25.000 Gulden veranschlagt worden. Im Oktober 1874 war die Kirche nach außen fertig. Am 6. Oktober konnte die Feier der Kreuzaufsteckung in schlichter Weise begangen werden. Pfarrer Täuber hielt die Festpredigt. Von Ps. 11,4 ausgehend, versucht er die sorgengeplagte Gemeinde aufzurichten. "Der so vieles hat getan, hat noch mehr im Sinne..."
Am 15. November 1875 konnte endlich der große Freudentag der Kirchweihe begangen werden.
Die Zeitschrift "Halte, was du hast" gab über die Feier folgenden Bericht:
Noch einmal versammelte sich die Gemeinde im alten Betsaal wo Ortspfarrer Novak, nachdem einige Strophen des Liedes 'Lobe den Herren' gesungen worden waren, ein Gebet sprach und Pfarrer Koch aus Gmunden ein Abschiedswort in gebundener Rede hielt. Hierauf bewegte sich der Zug zum neuen Gotteshause, vor dessen Pforte Herr Superintendent Ritter v. Sääf mit herzlichen Worten den Schlüssel dem Ortspfarrer übergab, der dann dieselbe mit passenden Liederworten öffnete. Nun strömte die aus nah und fern gekommene Festversammlung in die Kirche und füllte dieselbe vollkommen aus. Die Anfangsliturgie wurde von Pfarrer Aug. Koch aus Rutzenmoos gesungen, hierauf vollzog Superintendent Ritter v. Sääf nach der über 2. Chron. 6,19-20 gehaltenen Weiherede den Weiheakt. Nach abermaligem Gesange betraten die Pfarrer Kotschy, Koch und Aumüller den Altar und lasen Evangelium, Apostolicum und die Epistel.
Dann folgte die mit großer Lebendigkeit vorgetragene Predigt des Pfarrers Novak über Eph. 2,19-22. Die Schlussliturgie wurde von Senior Koch (Wallern) gehalten und der Segen vom Herrn Superintendenten erteilt. Die Behörden und Honoratioren der Stadt hatten sich zahlreich am Feste beteiligt, die Liedertafel durch den Vortrag von zwei Chören zur Feier mitgewirkt. Nachmittags fand ein einfaches Mahl statt. Das Opfer bei diesem Fest betrug 1 36,41 Gulden. Im Inneren war noch manches unvollendet; Bänke, Altar und Kanzel noch nicht vollständig gestrichen, auf jeder Empore stand nur die Hälfte der nötigen Bänke. Dem Turm fehlten noch die Glocken.Die Kirche hat die Form eines gleichschenkligen Kreuzes. Sie weist einige Merkwürdigkeiten auf.
Die Sakristei wird vom Kirchenraum durch eine Quermauer geschieden, die sich ober dem Orgelchor öffnet, um sich darüber in drei von zwei gusseisernen Säulen getragenen Bögen wieder zu schließen.An dieser Quermauer steht der Altar und darüber ist die Kanzel angebracht.Ober dem Altar sah man Christus in Gethesemane, links und rechts von der Kanzel die Apostel Paulus und Petrus. Alle drei Ölbilder wurden von dem akademischen Maler Wallhammer in Vöcklabruck gemalt.
Das Altarbild wurde später schadhaft und ist durch ein Bild des hiesigen Malers Otto Lux ersetzt worden, das Jesus mit den Emmaus Jüngern darstellt. Länge und Breite der Kirche betragen 21,8 m, die Höhe der Kirchenmauern 13,27 m, die Höhe des Kirchendaches 9,48 m. Das Mauerwerk des schmalen Turmes hat eine Höhe von 22,76 m, die Turmspitze ist 18,96 m hoch. Die Gesamthöhe des Turms beträgt also 41,72 m. Die Kirche ist auf 500 Sitzplätze eingerichtet und kostete insgesamt 34.237 Gulden. Am 13. Oktober 1881 wurde die 100-jährige Wiederkehr des Toleranzpatenterlasses Josefs 11. festlich begangen. Beim Festgottesdienst wurde bekannt gegeben, dass die evangelische Kirche von Vöcklabruck von nun an "Friedenskirche" heißen solle. Wir sprachen davon, dass das Sinnbild der Stadt die Brücke ist. Mit dem Namen ihrer Kirche wollten die Evangelischen Vöcklabrucks zum Ausdruck bringen, dass sie mit der Bevölkerung der Stadt im Frieden zu leben wünschen und das Gemeinsame stärker betonen wollen, als das Trennende.
Die Kirchengeräte
Von den kirchlichen Geräten wollen wir nur die erwähnen, die an bestimmte Häuser der Gemeinde erinnern. Für die Anschaffung eines Taufsteines spendeten die Gemeindeglieder Karl Landeshammer, Köniz in Stocket, und Christian Malzner, Roth in Stocket, 25 Gulden. Der Taufstein wurde in Ulm angefertigt, in Vöcklabruck marmoriert und ziert seit 1887 die Kirche. Zur Anschaffung eines Krankenkommuniongerätes spendete Johann Eichmayr, Pfeifer in Billichsedt, 11 Gulden.Das schöne Messingaltarkreuz wurde von der ledigen Bauerstochter Theresia Sturm, Hamedingertochter in Wegscheid, gestiftet. Es wurde bei Brix und Anders in Wien 1885 hergestellt und kostete 27 Gulden. Das noch immer in Gebrauch stehende große Bahrtuch, zu dessen Anschaffung Matthias Huber, Auszügler am Kirchmayrgut in Altensam, 24 Gulden spendete, lieferte 1872 die Firma Krickl und Schweiger in Wien. 1888 wurde eine kleinere Bahre nebst passendem Bahrtuch angeschafft. Die Glocken, die die Kirche bekam, hängen merkwürdigerweise mit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 zusammen. Bis zu dieser Zeit hatte jedes Land seine eigenen Landesmünzen. 1873 gab es eine Reichswährung, und die bisherigen Münzen wurden außer Kurs gesetzt. Pastor Stursberg in Düsseldorf und der rheinisch-westfälische Gustav-Adolf-Verein hatten die gute Idee, die wertlosen Münzen sammeln zu lassen und mit dem Material armen Diasporagemeinden ein Geläut zu verschaffen. Schnell waren 18 Zentner beisammen. Auch im Königreich Sachsen wurde der Gedanke aufgegriffen. Pastor Heinrich Joh. Scheuffler und der Kaufmann August Moritz Hennig aus Löbau ließen im August 1876 Aufrufe an die Gemeinden ergehen, die Münzen zu sammeln. In kurzer Zeit kamen 25 Zentner zusammen. Zwei Diasporagemeinden in Böhmen und Sachsen wurden versorgt, aber der Gabenstrom floss weiter. In einem Bericht H. J. Scheufflers und A. M. Hennings vom Dresdener Gustav Adolf-Verein heißt es:
"Ein Bittgesuch der 1870 begründeten evang. lutherischen Pfarrgemeinde Vöcklabruck in Oberösterreich, das in unsere Hände kam... belehrte uns, wie sehr diese Gemeinde sich nach Glocken sehnte und wie weit sie bei ihrer Armut und der geringen Höhe ihres Glockenfonds noch von diesem Ziele entfernt sei. Wir entschlossen uns, so Gott Gnade gäbe, auch ihr eine oder im besten Falle zwei "Sachsenglocken" zu beschaffen; selbstverständlich fand unser im August 1877 gemachtes Anerbieten freudigste Aufnahme. Der überraschend günstige Fortgang unseres Werkes ermöglichte es uns zu unserer größten Freude, dieser Gemeinde ein vollständiges As-Dur-Geläute, aus drei Glocken bestehend, unter Hinzunahme von 200 fl.ö.W. aus ihrem Glockenfonde zu schenken. Bei unserem bewährten Meister Werner in Kleinwelka wurden auch diese Glocken am 26. November 1878 gegossen, trafen am 23. Dezember glücklich in Vöcklabruck ein, wurden noch am selben Tage durch die Stadt zur Kirche gefahren, feierlich geweiht und glücklich aufgehängt, so dass sie das liebe Weihnachtsfest einläuten konnten."
Die Schenkungsurkunde enthält den Wunsch:
"Möge nun der lieben Gemeinde Vöcklabruck für und für aus dem Klange dieser Glocken die tröstende Gewissheit herausklingen: Viele Glaubensgenossen haben in treuer evangelischer Liebe und Fürbitte ihrer gedacht... Mögen die neuen Glocken in ihrem lieblichen, mächtigen Dreiklang zur Ehre des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes mit lauter Stimme hinaus tönen in das einst fast ganz evangelische, von Gott so herrlich geschmückte Oberösterreich! Mögen alle die lieben Schwestergemeinden dieses Landes, der Oberrest einer großen Vergangenheit und Hoffnung einer gesegneten Zukunft, wie auch die dortigen katholischen Mitchristen es erkennen aus ihrem harmonischen Zusammenklange, dass Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, unserer evangelischen Kirche geblieben sind und bleiben werden.
Gottes Schutz und Schirm aber sei auch ferner mit der lieben Gemeinde Vöcklabruck. Er helfe ihr weiter, äußerlich wie innerlich sich immer fester zu erbauen auf dem einen Grunde, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus! Lawalde und Löbau i. Sa. am 13. Dez. 1878. Heinrich Johannes Scheuffler und August Moritz Hennig... Die große Glocke, As-tönend, mit der Inschrift "Heute, so ihr Gottes Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht", Hebr. 4,7, und die kleine Glocke, Es-tönend, mit dem Spruch "Trachtet nach dem, das droben ist, nicht nach dem, das auf Erden ist", Kol. 3,2, sind dem ersten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Die zweite Glocke, C-tönend, im Gewicht von 222,25 kg, mit dem Spruch "Alles, was Odem hat, lobe den Herrn, Halleluja!", Ps. 150,6, konnte durch beide Weltkriege hindurch als historisch wertvolle "Sachsenglocke" gerettet werden und hängt heute noch in unserem Turm.
Das Pfarrhaus
Die ersten Pfarrer waren in einer ziemlich kümmerlichen Mietwohnung in der Stadt weitab von der oberhalb des Stadttores einsam im Feld stehenden Kirche untergebracht. Die jährliche Miete stieg von Jahr zu Jahr - einen Mieterschutz gab es damals nicht. Im Lauf von 10 Jahren wurde die Miete von 75 auf 200 Gulden erhöht. Man musste an den Bau eines Pfarrhauses denken. Durch die großzügige Spende einer Witwe, Theresia Imlinger in Vöcklabruck, von 1000 Gulden wurde der Mut der Gemeinde gesteigert. Eine Haussammlung innerhalb der Diözese erbrachte 2062 Gulden. Aus den übrigen Diözesen kamen an Kirchenkollekten 543 Gulden zusammen. Der Gustav Adolf-Verein half kräftig mit.
So konnte am 31. Jänner 1886 in einer Gemeindeversammlung der Baubeginn beschlossen werden; es dürfe aber die Summe von 8600 Gulden nicht überschritten werden. Maurermeister Adam Willinger in Vöcklabruck, der auch die Kirche gebaut hatte, wurde mit dem Pfarrhausbau beauftragt.
Anfang April 1886 wurde mit dem Bau begonnen. Schon am 13. September desselben Jahres konnte Pfarrer Karl Schimik in das neue Haus einziehen, an dessen Vollendung freilich noch die Tischler arbeiteten. Die k.k. Finanz-Direktion Linz hat mit Erlass vom 15. Februar 1887 dem Hause die permanente Befreiung von der Hauszins- und Hausklassensteuer zuerkannt, solange es für Wohnzwecke des jeweiligen Pfarrers der evangelischen Pfarrgemeinde Vöcklabruck dient.
Religionsunterricht
Bei der Gründung der Gemeinde im Jahre 1870 war auch der Bau einer Schule geplant und es wurde ein Schuldotationsfond angelegt. Nach damaligen Begriffen gehörte zu jeder Gemeinde notwendig eine Schule. Die Schuldenlast der Gemeinde war zu groß, um den Plan verwirklichen zu können. Es mußte daher für den Religionsunterricht der Jugend gesorgt werden. Im Jahre 1895, als Pfarrer Schimik seine erste Gemeindechronik schrieb, gab es in der Gemeinde 51 schulpflichtige Kinder, die in 49 öffentlichen und zwei privaten Schulen unterrichtet wurden. Also 51 Kinder in 51 Schulen. Bis zum Jahre 1890 wurde der Religionsunterricht nur in Vöcklabruck in der Sakristei bzw. im Pfarrhaus erteilt. Wegen der weiten Entfernungen konnten nur die älteren Kinder - durchschnittlich 21 - 28 - den Unterricht besuchen.Am 14. Dezember 1888 trat das Katechetengesetz in Kraft. Der Religionsunterricht wurde in bescheidenem Ausmaß vom Staat besoldet und eine Wegentschädigung gewährt. So ging man auch in unserer Gemeinde daran, für die entfernt wohnenden Kinder Unterrichtsstationen zu gründen.
Am 1. Juli 1891 wurde der erste Religionsunterricht in Starling im Hause Johann Oberndorfers, Niedernauer in Starling 6, gehalten; 16 Schüler aus den umliegenden Schulgemeinden nahmen daran teil. Für die im südwestlichen Teil der Gemeinde liegenden Orte wurde im Markte Timelkam eine zweite Religionsunterrichtsstation gegründet. Der erste Unterricht mußte am 14. August 1892 mit einem einzigen Kind gehalten werden. Der Ortsschulrat Timelkam verweigerte den evangelischen Schülern fremder Schulgemeinden den Zutritt in die Schule und damit die Teilnahme am evangelischen Religionsunterricht. Die kaiserlichköniglichen Behörden stellten sich auf die Seite der evangelischen Pfarrgemeinde, und die Zahl der Unterrichtsteilnehmer stieg im September 1892 auf 20 davon fünf aus der Atterseer Gemeinde.
Gemeindestruktur
Während der langen Jahre der Verfolgung konnte sich der evangelische Glaube nur auf dem Lande erhalten. In der Stadt fand das Toleranzpatent 1781 nur noch 13 evangelische Bekenner. Kein Wunder, dass die Gemeinde den bäuerlichen Charakter behielt. Um die Jahrhundertwende lebten von den rund 400 Seelen nur ca. 50 in der Stadt. Um der besseren Obersicht und Verwaltung willen wurde die Gemeinde in vier Viertel eingeteilt: In das Vöcklabrucker Viertel, zu dem auch Pilsbach, Teile von Regau, Freileiten, Lixlau, Schaichham, Schöndorf, Vornbuch und Ziegelwies gehörten; das Pichlwanger Viertel, zu dem Achmann, Gampern, Neukirchen, Teile von Seewalchen und ganz Timelkam mit Mairhof, Oberthalheim, Pichlwang und Witzelkirchen gehörten; das Ungenacher Viertel, zu dem Manning mit Scharedt und Starling, Ottnang mit Stocket und Thomasroith, Schmidham, Puchkirchen, Ungenach und Zell am Pettenfirst mit Franzeneck gehörten; das Baumgartinger Viertel, zu dem Atzbach mit Baumgarting und Köppach, Manning mit Au und Moos, Püret mit Altensam und Moosham, Rutzenham mit Bergern und schließlich Wolfsegg gehörten. Das kirchliche Leben war rege; es gab praktisch kein Haus, das am Sonntag nicht beim Gottesdienst vertreten gewesen wäre. Nach lutherischem Brauch wurde auch an den katholischen Feiertagen Gottesdienst gehalten. An den Fastenssonntagen und an allen Festtagen wurden auch Nachmittagsgottesdienste gehalten. Jeden Sonntag, an dem kein Abendmahl gefeiert wurde, wurde nach dem Gemeindegottesdienst die Christenlehre gehalten. Alle Konfirmierten hatten drei Jahre hindurch diese zu besuchen. Der großen und selbstverständlichen Kirchlichkeit der Gemeinde entsprach auch ihre Opferwilligkeit. Sie wird wiederholt in der kirchlichen Öffentlichkeit rühmend hervorgehoben. Im Bericht des österreichischen Hauptvereins der Gustav Adolf-Stiftung 1888 heißt es "Man wird die begeisterte Opferwilligkeit, mit welcher die kleine Gemeinde für das Evangelium in Vöcklabruck all das geleistet hat... aufrichtig bewundern müssen".
Im 29. Bericht vom Jahr 1891 heißt es "Vöcklabruck bildet den Mittelpunkt einer an Seelenzahl unbedeutenden und an irdischen Gütern armen, dafür an evangelischer Liebe und Begeisterung desto reicheren evangelischen Gemeinde." In der oben erwähnten Chronik lesen wir "Trotz der großen Opfer, die die Gemeinde während der Baujahre gebracht hat, leisten die Gemeindeglieder auch heute noch Jahresbeiträge, wie sie in dieser Höhe bei keiner zweiten oberösterreichischen Gemeinde zu finden sind."
Die Pfarrer der Gemeinde
Aus der Gründungszeit der Gemeinde sind uns bereits drei Namen begegnet. Theodor Täuber, Friedrich Gustav Novak und Karl Schimik. Theodor Täuber wurde am 8. 1. 1845 in Lemberg in Galizien geboren, hielt am 15. August 1870 in Vöcklabruck seine Probepredigt, wurde am 4. Dezember zum Pfarrer gewählt, am 15. Jänner 1871 in Scharten ordiniert und am 5. März 1871 von Senior A. W. Wehrenfennig in der Gemeinde installiert. Er hat sich um die Gemeinde große Verdienste erworben, während des Kirchbaus den Schriftwechsel geführt und unzählige Bittgesuche geschrieben. Seine formvollendeten Predigten bei der Grundsteinigung und der Kreuzaufsteckung liegen in den Akten des Pfarramts. Umso tragischer war das schwere Zerwürfnis mit dem Kurator Wilhelm Stuka, das ihn zum Fortgang aus der Gemeinde zwang. Auch dem Kurator hat die Gemeinde viel zu verdanken; Kirche, Pfarrhaus und Friedhof stehen ja auf dem Grund, den er der Gemeinde geschenkt hat. Im August 1874 hat Pfarrer Täuber sich bereit erklärt, die Interessen der Gemeinde auf einem großen Gustav Adolf-Fest in Stuttgart zu vertreten. Der Kurator erklärte, das sei nicht möglich, er, Pfarrer Täuber, besitze nicht das Vertrauen der Gemeinde. Fünf Presbyter erklärten sich mit dem Kurator solidarisch. Später wurde der Pfarrer dann doch gebeten, nach Stuttgart zu fahren. Aber sein Verbleiben war nach einer solchen Misstrauenserklärung nicht mehr möglich. Er konnte noch das Fest der Kreuzaufsteckung halten.
Seine Predigt schloss mit den Worten:"So sei es uns denn, das Kreuz, ein liebes Zeichen, das nicht allein über unserer Kirche, sondern auch in unseren Herzen und über unserem Leben steht, das uns führt als ein Kampfes- und Siegespanier durch Anfechtungen und Versuchungen, durch Freud und Leid, durch Leben, Leiden und Sterben hindurch, bis es einst unsere Gräber ziert und bezeugt: wir haben triumphiert und errungen Ruhe und Frieden, Leben und Seligkeit. Amen". Am 9. Dezember 1874 verließ Pfarrer Täuber die Gemeinde, wurde zunächst Pfarrer in Haber in Böhmen, später Religionsprofessor in Bielitz in Österreich Schlesien.
Sein Nachfolger wurde Friedrich Gustav Novak. Er wurde am 15. Juli 1847 in Ober-Dubenky in Mähren geboren, hielt als cand.theol. am 1. Jänner 1875 seine Probepredigt in unserer Gemeinde, wurde am 28. Februar zum Pfarrer gewählt und nach seiner Ordination am 20. Juni 1875 von Senior A.W.M. Wehrenfennig aus Gosau installiert und blieb bis zum 20. Mai 1883 im hiesigen Pfarramt. Er kam dann nach Gosau und wurde dort zum Senior gewählt. Auch seine Amtsführung war eine gewissenhafte und sorgfältige. Der Höhepunkt seiner Amtstätigkeit war ohne Zweifel die Kirchweihe am 15. November desselben Jahres. Sein Nachfolger wurde Pfarrer Karl Schimik. Er wurde am 15. Juli 1854 zu Freistadt in Österreichisch-Schlesien geboren. Nach absolvierten theologischen Studien wurde er Hilfsprediger und Religionslehrer in Pola in Istrien. Am 5. Dezember 1880 wurde er in Eger ordiniert und zugleich als Reiseprediger des westlichen deutschen Senoratsbezirkes in Böhmen installiert. Am 2. September 1 883 hielt er seine Probepredigt in Vöcklabruck, wurde am 1 6. September zum Pfarrer gewählt und am 2. Februar 1884 von Senior Ed. Moritz Wehrenfennig feierlich installiert. Er ist der erste Pfarrer, der Vöcklabruck nicht als Durchgangsposten betrachtete, sondern bis an sein Lebensende, volle dreißig Jahre, hier blieb.
Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg
Der bisherige Bericht hat gezeigt, dass die Geschichte der Gemeinde ein unaufhörlicher Kampf war: Reformation, Gegenreformation, Bauernkriege, bayerische Zeit, Vormärz, Kampf um die Gemeindegründung usw. Im Vergleich dazu ist die Ära Schimik eine Zeit ruhiger und ungestörter Entwicklung. Die Protokolle berichten von Wahlen, Veranstaltungen, Reparaturen usw. Die Seelenzahl der Gemeinde wuchs langsam aber ständig durch Geburtenüberschüsse. Zu den bemerkenswertesten Ereignissen gehörte der Bau des Pfarrhauses im Jahre 1886 und die Errichtung der Religionsunterrichtsstationen. Im Jahre 1894 versuchte Pfarrer Schimik die lutherische Liturgie nach sächsischer Ordnung einzufahren. Der Altargesang fand bei der Gemeinde keinen Anklang. Wenn bis zum heutigen Tage manche Gemeindeglieder während der Eingangsliturgie, des "Bodnigen" (Altardienst) vor der Kirche stehen bleiben, so mag das eine Erinnerung an den Protest jener Jahre sein. Zur finanziellen Sicherstellung wurden verschiedene Fonds gegründet, z.B. der Pfarrdotationsfond, dessen Zinsen das Pfarrgehalt ergeben sollten. Vor Beginn der Inflation hatte er die stattliche Höhe von 23.1 86 Kronen erreicht. 'Die Zinsen dieses Betrages hätten immerhin ungefähr ein Leutnantsgehalt ergeben. Der Gedanke an einen Schulbau wurde bis Kriegsende nie aufgegeben. Die Inflation vernichtete einen Betrag von 2415 Kronen. Der Malznerfond, durch ein Gemeindeglied zu Gunsten der Pfarrwitwen der Gemeinde gegründet, hatte eine Höhe von 7456 Kronen. Am 23. Juni 1895 feierte die Gemeinde das 25. Jubiläum ihres Bestandes. Pfarrer Karl Schimik gab eine sorgfältig gearbeitete Festschrift heraus: "Die evangelische Gemeinde A. C. von der Reformationszeit bis zur Gegenwart." Vom Reinertrag der Festschrift wurde ein großes Harmonium für das Schulzimmer angeschafft. Auf Kosten eines Timelkamer Gemeindegliedes völlig umgearbeitet und erneuert, steht es heute noch im Gemeindesaal. Im Jahre 1896 bot sich der Gemeinde die Gelegenheit eineinhalb Joch Wiesengrund nördlich des Pfarrhauses zu erwerben. Die Kosten von 4000 Gulden wurden von Gemeindegliedern aufgenommen. Der Grund wurde an den Gasthof und Realitätenbesitzer C. Armbruster verpachtet, der dafür an den Pfarrhof täglich eineinhalb Liter Milch lieferte. Etwa ein Viertel Joch wurde dem Verschönerungsverein zur Anlage einer Kastanienallee überwiesen. Bis zum Jahre. 1939 konnte man von der Stadt zur Kirche im Schatten der Kastanien wandern, was im Hochsommer sehr angenehm war. Dass die Amtsführung Pfarrer Schimiks außerordentlich gewissenhaft war, beweisen noch heute die Matrizen und Protokolle aus seiner Zeit, die alle in sauberster Schrift und fehlerlos geschrieben sind. Er konnte seiner Gemeinde nicht nur seelsorgerlich, sondern auch leiblich helfen, da er sich auf Kaltwasser und Naturheilkunde verstand und auf diesem Gebiete schöne Erfolge erzielte. Da zehn Kinder im Pfarrhaus heranwuchsen und Kinderbeihilfe damals ein unbekannter Begriff war, hatte das Leben einen kargen Zuschnitt. Kirchlich gesehen, war die Zeit bis zum Weltkrieg, wie bereits erwähnt, eine Zeit ruhiger und ungestörter Entwicklung. Zum erstenmal in der Geschichte Österreichs saß auf dem Kaiserthron ein Habsburger, der unserer Kirche nicht nur eine freundliche Gesinnung entgegenbrachte, sondern ihr volle Freiheit gewährte und unsere Gemeinde unterstützte. Es ist verständlich, dass Pfarrer und Gemeinde diesem Monarchen Verehrung und Dankbarkeit entgegenbrachten. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Protestantenpatentes vom 8. April 1861 gibt die Gemeinde im Jahre 1886 eine Huldigungserklärung an den Kaiser ab, die von diesem freundlich zur Kenntnis genommen wird. Ohne Zweifel war es ein Höhepunkt im Leben des Pfarrers, als am 21. August 1890 vom Bezirkshauptmann ein Schreiben kam-.
"Seine Majestät der Kaiser reisen laut Note vom 17. August 1890, um den Schlussmanövern des 14. Corps beizuwohnen, Freitag, den 29. August Nachmittag 4 Uhr 30 mit Separatzug von lschl nach Vöcklabruck, daselbst die Ahnankunft um 6 Uhr Nachmittag erfolgt und fahren von dort zu Wagen in das Ah.Hoflager im Schloss Wagrain.Ober allerhöchsten Befehl wird sich der Herr k.k. Statthalter von Oberösterreich zum Empfange auf dem Bahnhof in Vöcklabruck einfinden und Euer Hochwürden Seiner Majestät bei der Ankunft vorstellen. Hievon beehre ich mich zu Folge Erlasses des Herrn k.k. Statthalters vom 19. August 1890 Z.1921 Euer Hochwürden mit der Einladung zu verständigen, sich am 29. August 1890 zum Empfang Seiner Majestät und am 2. September zur Verabschiedung um 6 Uhr Abends am Bahnhofe zu Vöcklabruck einzufinden..."
Von der Vorstellung berichtet die Chronik Pfarrer Schimiks:
"Seine Majestät geruhten sich über die Verhältnisse der evangelischen Gemeinde sowie über die Person des Pfarrers, was für ein Landsmann er sei, wo er studiert habe usw. in freundlichster Weise zu erkundigen. Desgleichen wurde der Pfarrer zu der am 2. September im Schlosse Wagrain abgehaltenen allerhöchsten Hoftafel geladen.Während der Manöver beehrten auch der k.k. Statthalter, Freiherr von Puthon, der k.k. Bezirkshauptmann und der Bürgermeister der Stadt den Pfarrer mit einem Besuche, besichtigten die Kirche und sprachen sich über die geordneten Verhältnisse der strebsamen Gemeinde sehr lobend aus."
Man sieht, wie viel sich seit der Zeit der Ferdinande im österreichischen Kaiserstaat geändert hatte.Umso tragischer, dass gerade in diesen Jahrzehnten, da der Kaiserstaat unserer Kirche ein wirklich freundliches Gesicht zeigte, dieser Staat zu zerfallen begann. Ein Zerfall, den W. Churchill die europäische Kardinaltragödie nannte. Anderthalb Jahre vor dem Besuch des Kaisers Franz Josef 1. in Vöcklabruck hatte die Gemeinde am 10. Februar 1889 einen Trauergottesdienst für den Kronprinzen Rudolf gehalten, der ein paar Wochen vorher durch Selbstmord aus dem Leben geschieden war. Weithin herrschte die Empfindung, dass die Schüsse von Mayerling den Untergang der Monarchie einläuteten. Manche Historiker sind der Meinung, dass nach der Überzeugung des Kronprinzen die Politik seines Vaters enger Anschluss an Preußen-Deutschland, dessen Herrscher Wilhelm 11. sich mit der ganzen Welt zerwarf, die Occupation Bosniens und der Herzegowina, die den österreichischen Panslawismus zu hellen Flammen entzündete - zum Untergang der Monarchie führen müsse und es ihm graute, ein solches Erbe anzutreten. Das Ende der Monarchie wünschten nicht nur die Pansiawisten, die sich durch die Aufteilung in eine deutsche und eine magyarische Reichshälfte (Ausgleich 1867) entrechtet fühlten, sondern auch die Deutschnationalen um Georg von Schönerer, der alle Deutschen in einem Volksstaat vereinen wollte. Da die römisch-katholische Kirche sich für das Recht der Slawen einsetzte, entstand um die Jahrhundertwende die Los-von-Rom Bewegung. Die evangelische Kirche galt als die deutsche Kirche - und um die Jahrhundertwende wurden viele Obertritte in unsere Kirche vollzogen, aus Gründen, die nicht immer aus dem Evangelium kamen.
Diese Bewegung, die im Alpen- und Sudetengebiet zur Gründung einiger neuer Gemeinden geführt hat, fand in unserem Gebiet keinen Widerhall. Das Eintrittsbuch weist in den fraglichen Jahren keinen Übertritt auf, bei dem politische Gründe mitbestimmend gewesen sein könnten. In einer Sitzung am 26.Februar 1911 teilt Pfarrer Schimik der Gemeindeversammlung mit, dass er seine Kräfte sinken fühle; 21 Wochenstunden Religionsunterricht und 83 Gottesdienste im Jahr, dazu die Amtshandlungen und die Kanzleiführung gingen über seine Kräfte. Er stellte daher den Antrag, die Nachmittagsgottesdienste mit Ausnahme der Passionsandachten entfallen zu lassen. Ein Presbyter wies auf die Schädigung der Gemeinde durch den Ausfall des Klingelbeutelgeldes hin. Pfarrer Schimik erklärte sich bereit, den Ausfall zu ersetzen. In einer Sitzung des Jahres 1913 teilte Pfarrer Schimik mit, dass die Seelenzahl der Gemeinde auf über 500 gestiegen sei und daher nach der Kirchenverfassung eine Gemeindevertretung statt der bisherigen Gemeindeversammlung gewählt werden könne Gott hat seinen treuen Diener Pfarrer Schimik durch einen raschen und schmerzlosen Tod abgerufen. Er starb am 7. Juni 1913 an Gehirnschlag im 59. Lebensjahr.
Die Administration der Gemeinde wurde an Pfarrer August Koch in Attersee übertragen. Die Pfarrstelle wurde ausgeschrieben, und schon zwei Monate später konnte Pfarrer Koch vier Bewerbungen vorlegen. Nach Abhaltungen von Probepredigten entschied sich die Gemeinde für Johann Schick, Personalvikar in Heidenreichstein, heute eine Predigtstation von Gmünd in Niederösterreich. Johann Schick wurde am 17. Februar 1870 in Fraham bei Eferding geboren. Er war also der erste Oberösterreicher, der Pfarrer in unserer Gemeinde wurde. In der Wahl vom 5. Oktober 1913 fielen von 58 Stimmen 51 auf ihn. Aus seinem Berufungsbrief hören wir, dass ihm als fixe Besoldung mit Ablösung der Naturalien und Opfergänge 2000 Kronen pro Jahr bewilligt wurden. Dazu kamen die Stolgebühren bei den Amtshandlungen. Die Gemeinde schätzte an ihm seine wohldurchdachten Predigten. Es war daher keine geringe Enttäuschung für sie, als sich herausstellte, dass er nicht installiert werden konnte. Er war sehr karitativ gesinnt und hatte als Vikar in Heidenreichstein, um das Leid der Weit zu verringern, aus eigener Initiative ein Waisenhaus gegründet. Die Oberlieferung berichtet, dass er sich geweigert habe, dem Oberkirchenrat Einblick in seine Geschäftsgebarurig zu gewähren. Die Wahl hätte daher nicht bestätigt werden können. Der Waisenhausbetrieb auf eigene Faust ging auch im Pfarrhaus zu Vöcklabruck weiter. Augenzeugen berichten, dass sich manchmal acht bis neun Kinder im Pfarrhaus aufhielten, Pfarrer Schick blieb unverheiratet. Die älteren Kinder hatten für die kleineren zu sorgen. Hilfreiche Familien lieferten Lebensmittel. Meist aber mussten sich die Kinder mit Gemüseeintopf begnügen. Selbstverständlich musste er Gönner für seine Arbeit suchen. Ein Gemeindeglied berichtete mir, dass er Körbeweise Bittbriefe versandte und die Millionäre Amerikas kannte. Dass er sich in keine bestehende Ordnung fugen konnte, wurde ihm zum Verhängnis.
Der Erste Weltkrieg
Zur Zeit Pfarrer Schicks brach der Erste Weltkrieg aus. Die Doppelmonarchie hatte sich nicht imstande gezeigt , die slawische Frage zu lösen. Aus dem Gewitter, das sich im südslawischen Gebiet zusammenbraute, brach am 28. Juni 1914 der Blitz, der den Krieg auslöste: die Ermordung des Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gattin. Auch aus unserer Gemeinde eilen die Wehrfähigen freudig zu den Waffen. Man erhoffte ja einen schnellen Sieg. Als auch Russland in den Krieg eintrat, musste diese Hoffnung begraben werden. Dass die Lage im Osten eine böse Wendung nahm, zeigten die Flüchtlingsströme, die im März 1915 auch unsere Gemeinde erreichten. Am 5. April teilte Pfarrer Schick dem Presbyterium mit, dass für 40 galizische Flüchtlinge Unterkunft besorgt werden musste. Da es sich um bäuerliche Menschen handelte und viele Bauernsöhne der Gemeinde eingerückt waren, scheint die Unterbringung kein Problem gewesen zu sein.
Am 29.Dezember 1915 verständigt der Oberkirchenrat die Gemeinde, dass die Glocken abgeliefert werden müssen. Die Gemeinde bekommt eine Entschädigungssumme von 2264 Kronen. Im Pfarrhaus wird um diese Zeit die Militärkanzlei der 4. Ersatzkompanie untergebracht. Der Glaube an den Endsieg Österreich-Ungarns war so selbstverständlich, dass die Gemeinde am 30. April 1916 beschloss, mit den Mitteln des Pfarrdotationsfonds, des Schulfonds und des Malznerfonds vierzigjährige Kriegsanleihen zu zeichnen und auch die Gemeindeglieder zum Zeichnen aufzufordern.
Ende 1917 verschärft sich die Not des Pfarrers. Die Gemeinde beschließt am 30. Dezember, sich wegen der Verweigerung der Staatspauschale an den Pfarrer durch den Oberkirchenrat an den Kaiser zu wenden: "Es ist darum nicht die Gemeinde schuld, wenn ihr ordentlich berufener Seelsorger schon seit 4 Jahren hungern und darben muss, infolge Überanstrengung und Nichtbewilligung eines Urlaubes (seit 9 Jahren) recht leidend ist, sondern der seine Bestätigung verweigernde Oberkirchenrat. Die evangelische Gemeinde sieht sich daher gezwungen, eine Beschwerde an Seine Majestät den Kaiser als den Landesbischof einzubringen." Von einer Antwort ist nichts bekannt. Das Leben dieses armen Mannes nimmt ein tragisches Ende. Am 6. Juli 1919 richtet das Presbyterium an den Oberkirchenrat die dringende Bitte, ihm das Hindernis bekannt zu geben, das der Bestätigung des vor sechs Jahren gewählten Pfarrers im Wege steht, damit die Gemeinde die Möglichkeit habe, eine Neuwahl vorzunehmen. Am 3. September wird der Gemeinde die endgültige Verweigerung bekannt gegeben. Die Gründe sind den Protokollen nicht zu entnehmen. Die Gemeinde kündigt ihm die Pfarrstelle auf. Er bekommt 1000 Kronen Abfertigung und muss bis November das Pfarrhaus räumen. Er bekommt eine Wohnung im Schloss Köppach, das bereits zu zerfallen beginnt. Eines der älteren Waisenkinder, die 16-jährige Maria Hauch aus Wien, zieht mit ihm ins Elend.
Ein Bauer alias Baumgarting beackert ihm ein Stück Feld von dem er sich zu ernähren versucht. Maria Hauch berichtet, dass er bei Regenwetter über dem Schreibtisch einen Regenschirm aufspannen musste, weil der Regen durch das morsche Gebälk des Jörgehrschlosses drang.Am 31.August 1922 ist Pfarrer Schick 52-jährig im Krankenhaus Weis an Magenkrebs gestorben. Er ist wohl die tragischste Gestalt unter den Vöcklabrucker Pfarrern. Leider besitzen wir keine Predigt von ihm, keine Selbstdarstellung, die uns einen Einblick in das Innenleben dieses seltsamen und unglücklichen Mannes gewähren könnte. Die Gemeinde ist ihm Dank schuldig, dass er von den drei Sachsenglocken, die 191 5 aus dem Turm geholt werden sollten, doch die mittlere retten konnte. Sie dient auch heute jeden Sonntag mit ihrem Geläut. Auch die Orgelpfeifen konnte er retten. Der Kirchenhistoriker G. Loesche schreibt in seiner Geschichte des Protestantismus in Österreich S. 688:
"Vöcklabruck durfte die Zinnpfeifen seiner besonders wertvollen Orgel behalten." Es ist Schicks Verdienst, dass die Kommission an diesen Wert glaubte, von dem unsere Organisten weniger überzeugt sind. Für die Struktur und das geistliche Leben der Gemeinde bedeutete der Erste Weltkrieg keinen besonderen Einschnitt. Die traurigste Folge war der frühe Tod junger Männer, die die Heimat nicht mehr sahen. Auf der Gedenktafel rechts vom Kirchenportal lesen wir die Namen von zehn Gefallenen und zwei Vermissten. Dass aus dem Hause Schiller-Gferetbauer, das seit dem Beginn der bayerischen Zeit in der Geschichte unserer Gemeinde eine bedeutende Rolle spielte, drei Söhne fielen (Matthias, Franz und Alois), gehört zu den dunklen Führungen, die wir nicht verstehen. Eine weitere Unheilsfolge war das Sinken der biologischen Kraft unserer Gemeinde. Betrug vor dem Krieg die -Durchschnittszahl der jährlichen Taufen 17, so sank sie nach dem Krieg auf 14.
Mit dem Ende des Krieges trat die Habsburger Dynastie, die so tief in das Leben unseres Volkes, unserer Kirche und Gemeinde eingriff, vom Schauplatz der Geschichte ab. Dass sie immer wieder versuchte, christlichen Glauben und politische Gewalt miteinander zu verbinden, dafür werden wir heutzutage in einer Zeit der geistigen und gesellschaftlichen Auflösung und der ständig zunehmenden Kriminalität mehr als früher Verständnis haben; dass sie blind geblieben ist für den Wahrheitsgehalt und die Heilskraft der lutherischen Reformation und sie jahrhunderte lang mit Feuer und Schwert zu vernichten suchte, ist eine Tragik, die bis in die Gegenwart weiterwirkt.
Zwischen den Kriegen
Durch den Friedensvertrag von St. Germain am 10.September 1919 wurde Österreich eine demokratische Republik. Die Macht geht vom Volk aus. Willensträger des Volkes sind die Parteien, die im Nationalrat ihre Beschlüsse fassen. Da bei den Neuwahlen 1920 die Christlich-Sozialen die stärkste Partei werden, tritt kein geistiger Umbruch ein, wohl aber führt die Umstellung von der weiträumigen Wirtschaft der Doppelmonarchie zum Kleinstaat zu schweren wirtschaftlichen Krisen und zum Verfall der Währung. Das musste auch unsere Gemeinde in verschiedene Nöte bringen.
Fortsetzung folgt...